Stand der Aufarbeitung

2001 nahm das Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz seine Arbeit auf. 2002 erschienen erste schweizweit gültige Richtlinien zur Prävention und zum Umgang mit Fällen und Meldungen. In den Folgejahren wurden diese Richtlinien mehrfach überarbeitet. Unter anderem wurden die Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden festgelegt und die Anzeigepflicht verschärft. Die aktuell gültigen Richtlinien, die von der Schweizer Bischofskonferenz und der Vereinigung der Höheren Ordensobern der Schweiz (VOS’USM) mitgetragen werden, wurden 2019 veröffentlicht.

Ab 2011 haben einzelne Klöster und Ordensinstitute Untersuchungen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in ihrem Zuständigkeitsbereich durchgeführt (siehe Schweiz). Diese bereits vorliegenden Studien können als Basis dienen, auf der weiter geforscht wird. Allerdings gibt es bislang keine schweizweite Untersuchung der sexuellen Übergriffe im kirchlichen Umfeld.

In derselben Zeit entstanden in allen Bistümern Fachgremien mit unabhängigen Ansprechpersonen für Betroffene.

Ende 2016 wurden der Genugtuungsfonds für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld errichtet sowie Mitglieder der «Kommission Genugtuung» ernannt. Die drei Geldgeberinnen des Genugtuungsfonds sind die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Vereinigung der Höheren Ordensobern der Schweiz (VOS’USM) und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Bislang wurden daraus rund zwei Millionen Franken an Betroffene ausbezahlt.

Ebenfalls seit 2016 haben Bistümer in Zusammenarbeit mit den kantonalkirchlichen Organisationen Schutz- und Präventionskonzepte erarbeitet und in Kraft gesetzt, Präventionsbeauftragte angestellt und Präventionskurse für kirchliche Mitarbeitende durchgeführt.

Anzahl gemeldeter Missbrauchsfälle

2010 haben die Bischöfe der Schweiz erstmals einen Aufruf an die Betroffenen gerichtet, sich bei den entsprechenden Stellen der Bistümer zu melden. Seither führt das Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizerischen Bischofskonferenz eine Statistik über die Meldungen:

Die Darstellung zeigt die Anzahl der Fälle, die den Ansprechpersonen der Fachgremien der Kirche im jeweiligen Jahr gemeldet wurden. Bei mehr als der Hälfte der bisher gemeldeten Fälle geschahen die Übergriffe vor 1980. 2010 erhielt die Thematik aufgrund von aufsehenerregenden Berichten im In- und Ausland eine hohe mediale Aufmerksamkeit, was die im Vergleich zu den Folgejahren grosse Zahl von Meldungen zumindest teilweise erklärt.

Aufgrund von Studien aus anderen Ländern sowie der sogenannten Dunkelfeldforschung ist davon auszugehen, dass die bislang bekannten Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind. Es liegt in der Natur von Sexualstraftaten und deren Auswirkungen auf die Betroffenen, dass nur ein geringer Prozentsatz der Verbrechen offiziell gemeldet oder zur Anzeige gebracht wird (Hellfeld der Kriminalität). Dagegen umfasst das Dunkelfeld all jene Delikte, die tatsächlich verübt worden sind. Da die kircheneigene Statistik nur jene Fälle erfasst, welche direkt an Fachgremien der Kirche gemeldet wurden, dürfte die Differenz zwischen Hell- und Dunkelfeld auch hier erheblich sein.

Schweiz

Frühere Untersuchungen zu sexuellem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche Schweiz:

Kapuziner, 2018

Pressekonferenz zum Fall Joël Allaz: Erklärung des Provinzials der Schweizer Kapuzinerprovinz
Auszug aus dem Untersuchungsbericht

Institut Marini, 2016

Recherche historique indépendante: Enfants placés à l’Institut Marini de Montet (FR) Discriminations, maltraitances et abus sexuels

Kloster Fischingen, 2014

Historische Untersuchung: Kinderheim und Sekundarschule St. Iddazell

Rathausen Luzern, 2013

Studie von Ries, Markus / Beck, Valentin (Hrsg.): «Hinter Mauern – Fürsorge und Gewalt in kirchlich geführten Erziehungsanstalten im Kanton Luzern»
Projektseite der Uni Luzern
Weitere Infos

Kloster Ingenbohl, 2013

Schlussbericht der unabhängigen Expertenkommission: Ingenbohler Schwestern in Kinderheimen. Erziehungspraxis und institutionelle Bedingungen unter besonderer Berücksichtigung von Rathausen und Hohenrain

Kinderheime Luzern, 2012

Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970

Kloster Einsiedeln, 2011

Berichterstattung: Kommission aus drei Juristen unter der Leitung von Pius Schmid, ehemaliger Sonderstaatsanwalt des Kantons Zürich.
Medienmitteilung zum Abschluss der Untersuchungen

Ausland

Ein Überblick über einige der wichtigsten Untersuchungen zeigt, wie sexueller Missbrauch im kirchlichen Umfeld ausserhalb der Schweiz bislang untersucht wurde: